Olten bleibt also in der Swiss League. Vorläufig. Waren Marc Thommens öffentliche Gedankenspiele über einen freiwilligen Abstieg halt doch bloss Theater-Donner? Er hofft auf Veränderungen und sagt, er habe auf seine «Abstiegs-Drohung» sehr viele positive Reaktionen bekommen und unzählige Telefonate geführt.
Ganz offensichtlich hat mit Oltens Obmann zum ersten Mal jemand offen die Probleme angesprochen und die Konsequenzen aufgezeigt. Ausführlich hat er sich auch mit Verbandspräsident Stefan Schärer ausgetauscht. «Wir haben dem Verband per Einschreibebrief auch konkrete Forderungen gestellt.»
Aber kommt dabei mehr heraus als die Bildung von Arbeitsgruppen und die Produktion von zahnlosen Papiertigern? Marc Thommen will nicht lockerlassen: «Ich werde im regelmässigen Kontakt mit dem Verbandspräsidenten bleiben und die Veränderungen immer wieder anmahnen.»
Ein Mann gegen den Verbands-Apparat. Marc Thommen als Don Quichotte im Kampf mit den Windmühlen der nationalen Hockey-Administration.
Natürlich musste er auch Kritik für seine öffentlichen Abstiegs-Gedankenspiele einstecken. Unter dem Titel unprofessionell. Aber was heisst eigentlich in diesem Zusammenhang professionell? Immer brav nicken? Diplomatisch sein? Nur ja nicht anecken? Jede Aussage von Bedenkenträgern so lange mit der Nagelfeile bearbeiten, bis sich niemand mehr betupft fühlt?
Im Blick zurück: Wo wäre die Welt heute, wenn Martin Luther nicht den Mut gehabt hätte, seine 95 Thesen am Mittwoch, dem 31. Oktober 1517 eigenhändig an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg zu nageln? Wenn er sie vom Mainzer Erzbischof vorher hätte redigieren lassen? Damals gab es bei der Katholischen Kirche mindestens so viel Reformbedarf wie heute in unserem Hockey.
Wir wollen nun Marc Thommen nicht gleich zum Martin Luther und den rührigen Verbandspräsident Stefan Schärer zum Kardinal oder Papst unseres Hockeys verklären. Aber Marc Thommens Mut, endlich Klartext zu reden, ist bemerkenswert und im wahren Sinne professionell. Weil er versucht, im Sinne der Sache etwas zu verändern. Unser Hockey braucht mehr Oltner. Und Stefan Schärer ist gefordert.
Die National League ist inzwischen zwar juristisch unabhängig vom Verband und bei unseren 14 Proficlubs hat der Verbandspräsident nichts zu befehlen. Aber alle anderen Ligen von der Swiss League an abwärts sowie das Frauen- und Juniorenhockey sind ihm unterstellt. Also der gesamte Unterbau auf der die National League ruht. Das Fundament unseres Hockeys. Der Verbandspräsident hat viel Gestaltungskraft, um Reformen anzustossen und durchzusetzen. Unter anderem, indem die höchste Juniorenliga, die höchste Amateurspielklasse und die Swiss League neu strukturiert und zusammengesetzt werden.
Der Verband hat inzwischen bei der Kreation der höchsten Frauenliga (Postfinance Women‘s League) den genau gleichen Fehler gemacht wie die National League bei der Aufstockung von 12 auf 14 Teams: Zu viele Teams. Zu wenig Spielende. Vorne wird im Final zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern Frauenhockey auf hohem Niveau zelebriert. Aber hinten verkommt der Auf/Abstiegskampf genauso zur Farce wie in der National League, wo Kloten und Ajoie nicht einmal mehr die Playouts bestreiten müssen: Lugano verzichtet auf die Liga-Qualifikation gegen Zug und steigt freiwillig ab. Immerhin bleibt Langenthal in der höchsten Frauen-Liga. Nachdem Präsident Walter Ryser öffentlich über einen freiwilligen Rückzug nachgedacht hatte.
Verbandspräsident Stefan Schärer bleibt nicht untätig und bestätigt die briefliche Eingabe von Marc Thommen. Darin stehe nichts, was nicht schon seit Monaten in Planung und Umsetzung sei. Und kündigt Veränderungen an, die mehrstufig bis zur Generalversammlung des Verbandes am 9. September bei verschiedenen Sitzungen, Hearings, Arbeitsgruppen, Taskforces, Besprechungen, Unterredungen, Zusammenkünften, Kuratorien, Retraiten, Meetings, Debatten, Aussprachen, Fachausschüssen, Dialogen, Gesprächskreisen, Zirkeln, Anhörungen, Präsentationen, Kommissionen, Diskussionsrunden, Beratungen, Konsultationen, Fachgruppen, Komitees, Symposien, Foren, Expertenbefragungen, Stabsübungen, Gremien oder Tagungen gemeinsam erarbeitet und vorgelegt werden. Sogar eine Zusammenkunft der NL-Präsidenten (nicht der Manager) ist angedacht.
Bringen wir es auf den Punkt: Frage: Welche konkreten Änderungen wird es auf die kommende Saison geben? Antwort des tüchtigen Verbandsobmannes: «Es kann kleine operative Quick Wins geben, aber mögliche strukturelle Änderungen müssen zuerst durch die politischen Entscheidungs-Gremien und sind erst auf die Saison 25/26 realistisch». Boshaft zusammengefasst: Nichts wird sich auf nächste Saison ändern.
Verhallt Marc Thommens Vorstoss also vorerst wirkungslos wie Theaterdonner? Alles braucht halt seine Zeit. Von Luthers Thesenanschlag bis zu nachhaltigen Veränderungen der Kirche dauerte es damals auch mehr als hundert Jahre.